Wer das schmale Bändchen vom Bremer Autoren Johann-Günther König
in die Hand nimmt, ist erst einmal erstaunt.

Nicht mehr und nicht weniger, als „die Geschichte des Automobils“ verspricht der Einband und das auf gerade mal 196 Seiten. Kann das gelingen? Es kann, wie König im Folgenden zeigt. „Denn wer die Geschichte des Automobils zu kennen glaubt“, so der Autor; „kennt im Zweifel nur ihr Ende.“ Denn nicht, wie der aktuell 125. Geburtstag des Automobils vermuten lässt, mit Carl Benz und der Erfindung des Explosionsmotors beginnt das mobile Zeitalter, sondern bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren es vor allem dampfgetriebene Wagen, die in Metropolen wie London und Paris die ersten Personen beförderten. Was uns König über die Automobile-Vorzeit zu berichten weiß, ist höchst spannend und unterhaltsam. Mögen die damaligen Vehikel aus heutiger Sicht primitiv und abenteuerlich anmuten, so lenkt er unseren Blick auf die verwendeten Techniken, wie Kohle-, Dampf-, Gas-, oder Elektroantrieb. Erstaunt stellen wir fest, dass nicht nur das Ringen um die beste Technik in vielem den heutigen Diskussionen ähnelt. Auch die Argumente gegen den aufkommenden Explosionsmotor (Luftverschmutzung, Gesundheitsschädigungen) haben sich in den letzten 125 Jahren kaum verändert. Und doch trat der sogenannte Otto-Motor seinen unaufhaltsamen Siegeszug an und prägt wie keine zweite technische Erfindung das Bild der modernen Stadt und der dort lebenden Menschen. Dabei hatten auch die anderen technischen Antriebssysteme lange vor Carl Benz schon Serienreife erlangt. Durch geschickte Lobby-Politik und gesetzliche Einschränkungen verschwanden diese Motor-Wagen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts fast völlig von der Bildfläche. Eine Weichenstellung mit den bekannten fatalen Folgen, wie uns das allgemeine Verkehrschaos in unseren Städten und Autobahnen täglich deutlich vor Augen führt. Insgesamt ist Königs Buch eine Bereicherung in der aufgeheizten Auseinandersetzung um die mobile Zukunft“. Detail- und kenntnisreich schildert er uns die Folgen der kulturhistorisch als Demokratisierung gewürdigte Massenmotorisierung und fordert eine Abkehr vom „mobilen Wahnsinn." Oder mit den Worten des  Philosophen Ivan Illich: „Produktive Sozialbeziehungen unter freien Menschen bleiben auf das Fahrradtempo beschränkt." Wir sind gespannt!

Konrad Bayer

Erschienen: November 2010
EAN: 9783150202142
ISBN-10: 3-15-020214-0
Seitenzahl: 196
Sprache(n): Deutsch
Erschienen bei: Philipp Reclam Jun.