Rezension von Ludger Koopmann


Janko Marklein
Florian Berg ist sterblich

„Florian Berg ist sterblich“ ist 2015 als Hardcover im Aufbauverlag erschienen. In dem Buch beschreibt Janko Marklein einen konkreten Abschnitt im Leben seines „Helden“ Florian Berg, der zum Studium nach Leipzig zieht. Dort mäandert Florian zwischen Studium, Clique und einigen weiblichen Kommilitoninnen. Ergänzt werden diese Schilderungen durch Zeitsprünge in seine Kindheit und Jugend. Auf dieser Zeitebene mäandert Florian Berg zwischen Schule, präpubertärer Clique und seinen Eltern, welche beide Pastoren sind. Irgendwann fliegt er nach Chile, weil seine immer noch erfolglos Angebetete dort ein Auslandssemester einlegt. Dort mäandert Florian Berg zwischen Demos, einem Gastgeber und seiner Angebeteten bei der er hier in der Ferne, soviel sei verraten, zweimal zum Schuss kommt. Da sie nicht mehr von ihm will, fliegt er wieder zurück, um eventuell an einem Bewerbungsgespräch für ein Stipendium teilzunehmen.
Der Vater übernimmt die Hochzeiten, die Mutter die Beerdigungen, er wächst auf dem Land auf und studiert in der Stadt, die eine Frau liebt ihn, er ist auf die andere scharf. Über die Plumpheit solcher schwarz-weißen Spannungsfelder erhebt sich das Buch nie.
Soweit der Inhalt, wenn man es denn großzügiger Weise so nennen will, des Buches. Der ist genauso banal wie langweilig. Die alte Deutschlehrerfrage „Was will der Dichter uns mit diesen Worten sagen?“ ist für dieses Buch sehr knapp zu beantworten: nichts. Die Geschichte mäandert Seite um Seite durch eine totlangweilige Geschichte und das einzige was einem noch etwas Mut zum weiter lesen gibt, sind die Versprechungen im Klappentext. Leider hat dieses Buch nichts vom Niveau der Nerd-Darstellung bei Big Bang Theory wie im Klappentext beschrieben. Weder ist das Buch auch nur ansatzweise so witzig, noch zeigt es Florian Berg als Nerd, also als einen Menschen, der in seinem Fachgebiet brilliert, aber leider sozial inkompetent ist. Man hat beim Lesen noch nicht einmal den Eindruck, dass Florian Berg selber sozial inkompetent ist, sondern der Autor. Dazu später mehr.
Jedes Thema wird nur angerissen und so bleibt alles eine oberflächliche Schilderung unwichtiger Erlebnisse. Ein schönes Beispiel ist sein Kumpel der als SMS-RTL-Guru tätig ist. Weder beschreibt Marklein was dieser macht, noch warum, noch welche Konsequenzen das hat. Welche ein Unterschied zu der Darstellung ähnlicher Tätigkeiten in „The Circle“. Letzteres legt man mit Beklemmung und Nachdenklichkeit aus der Hand, beim hier rezensierten Buch bleibt nichts. Ohne irgendeinen Erkenntnisgewinn quält man sich durch die ziellos mäandernde Geschichte und spätestens ab Seite 50 wäre man froh, wenn das Buch der Okavango wäre: der mäandert zwar auch ziellos umher, aber wenigsten versickert dieser in der Wüste und verschwindet. Doch die Geschichte quält sich Seite um Seite weiter und man hofft, dass der wiederum im Klappentext angekündigte Aufbruch wenigstens den Rest des Buches interessant macht. Aber schnell wird klar, dass das falsche Hoffnungen waren. Wenn eine weite Reise in einem solchen Roman Sinn machen soll, muss es eigentlich auf die eine oder andere Weise entweder zum Scheitern oder zum Erwachsenwerden des Helden kommen. Oder die Flucht ist das durchaus legitime Mittel einer solchen großen Reise des Helden. Was passiert aber hier – sie haben richtig vermutet, die Geschichte mäandert weiter. Das einzige Ziel der Reise war – so irgendwie, könnte man wohl sagen- seiner Flamme hinterher zu reisen. Aber nie hat man das Gefühl, hier seien Gefühle im Spiel. Sie schläft zwar mit ihm, aber sie will sich nicht an Florian binden, so dass Florian ersatzweise halt doch sein Stipendium beantragen will. Oder vielleicht auch nicht.
Besonders schwach und ärgerlich ist die Zeichnung der Figuren. Weil es Marklein in keiner Weise gelingt, seinen Figuren Leben einzuhauchen und sie für die Lesenden interessant zu gestalten, klebt er ihnen bildlich Post-It-Zettel mit einem besonderen Merkmal an die Stirn. Die Eltern sind Pastoren mit dem Stirnzettel „Papa macht nur Hochzeiten“, „Mama nur Beerdigungen“ – wenn das nicht wahnsinnig witzig ist, was dann. Genauso klischeehaft geht es quer durch die ganze Geschichte. Ärgerlich ist dabei häufig die Fixierung auf körperliche Defizite: Line hat einen faustgroßen Leberfleck im Gesicht (weshalb er sie nicht attraktiv findet und ihr das auch so sagt und natürlich sind es solche Frauen, die sich politisch engagieren), sein kleiner Bruder leidet unter Neurodermitis und ist nur der Kratzer. Wenn er es in der Geschichte für die anderen Protagonisten wäre und der Autor den Menschen hinter dem „Kratzer“ herausarbeiten würde wäre das vollkommen in Ordnung und - falls gut gemacht - auch interessant. Hier reduziert der Autor den Jungen selber auf seine Neurodermitis durch die ausschließliche Nennung als Kratzer. Und an solchen Stellen ist das Buch mehr als ärgerlich.
Es sei mir, der Fahrradlobbyist und kein Rezensent ist, gestattet ein besonderes Beispiel für die teilweise himmelschreiende Ungenauigkeit bei der Beobachtung und Beschreibung von Situationen durch Marklein an dieser Stelle anzuführen. Auf Seite 119 fährt Line neben ihm zur Uni. „Einmal geriet Line mit dem Vorderreifen in die Tramschienen und wäre beinahe gestürzt“, schreibt Marklein. Zumindest als Bremer Autor sollte man wissen, dass man nicht mit dem Vorderreifen in eine Straßenbahnschiene kommt und beinahe stürzt. Selbst der beste Radfahrer wird garantiert stürzen. Nur eines von beliebig vielen Beispielen.
Diese Buch ist einfach nicht gut geschrieben.
Dennoch wünsche ich dem Autor alles Gute für seine Karriere als Schriftsteller. Talent hat er, aber auch noch viel Arbeit vor sich. Es macht mir nicht viel Spaß, ein Buch komplett zu verreißen. Schon gar nicht bei einem jungen Autor. Schließlich enthält dieses Buch neben dem Beschriebenen natürlich auch sehr viel Arbeit und wahrscheinlich eine Menge Hoffnung des Autors. Und an einigen Stellen blitzt es auch auf, dass dieser junge Autor durchaus Talent hat. Vielleicht sollte er noch keine Romane schreiben, sondern vorerst kürzere Formen wählen. In denen sich dann aber genau überlegen, was er mit dem Text aussagen will. Die genaue Beobachtung, sowohl von Menschen wie auch von Geschehnissen muss erheblich besser werden, damit seine Werke nicht wie im vorliegenden in Klischees ertrinken. Und vor allem muss er Figuren schaffen die leben und handeln. Eine kurze Geschichte seines Bruders, dem „Kratzer“ aus dessen Sicht, wie er die Welt sieht und er es sieht, wie die Welt ihn sieht. Das wäre eine spannende Geschichte und es wäre ein spannendes Kapitel in diesem Buch gewesen.
Gerne hätte ich............

Roman
ISBN: 978-3-351-05022-1
20,00 € Inkl. 7% MwSt.
Rezension
Ludger Koopmann
Bremen, den 18.11.2015