Gerd-Peter Eigner : Die Italienische Begeisterung
„Was mich betrifft, so kenne ich keinen Unterschied zwischen Zersplitterung und Einheit .Das scheint mir eine allzu philosophische Frage zu sein. Ich erachte mich selbst eher als einen Praktiker des Glücks .Und des Unglücks natürlich .Was wäre das eine ohne das andere?“
So steht es in Gerd-Peter Eigners Roman „Die italienische Begeisterung“; es bezeichnet exemplarisch die erzählerische Struktur, gleichsam die Hintergrundstrahlung seiner Suche nach sich selbst, nach seinem Freund Rolf Boddensiek und vor allem nach seiner Frau Aischa. Die gestorben ist. Über sie sind die beiden Männer verbunden. Rolf Boddensiek und Theo Bronken,der ehemalige Seelotse und der „Vertretungsanästhesist“, wie er sich bezeichnet, der Zuflucht gesucht und gefunden hat in einem italienischen Bergdorf .Mit gehöriger Distanz, und in stets stockenden Erinnerungsschüben bewegen sich die beiden ,nur langsam vertraut werdend, aufeinander zu. Die früh erahnte Tragik , also der Anlass des Besuches von Boddensiek bei Theo Bronken, der natürlich nicht irgendeiner „italienischen Begeisterung“ entsprang, offenbart sich gegen Ende des Romans: kurz vor ihrem Tod hat Aischa, Boddensieks Frau, ihm gestanden, das sie immer nur Bronken geliebt hat .Und sie hat ihm, als wäre es nicht genug mit dieser verletzenden Offenbarung,auch noch aufgetragen, diese seinem Freund Bronken zu überbringen .Damit ist die Tragik,um die es in Eigners Buch geht, eingefasst .Darüber hinaus schildert er die Beziehung zu seiner Tochter, die er ebenso verlieren wird wie seine Frau und die er genauso liebt. Das diese beiden Verluste zusammenhängen kann man nachempfinden, ohne das es gesagt wird.
Gerd-Peter Eigners Sprache ist kantig, unprätentiös, männlich und schroff-schön: sie wirkt monolithisch, wie aus einem Stein, aus einer Sprache „gehauen. Nicht modern, aber noch weniger altmodisch; sie ist nicht vertrackt (obwohl es die Umstände sind) sondern klar. Und angesichts der geschilderten Tragik durchaus nicht ohne Humor: „Ein gewisser Mann“, sagte Rex, während er mit Margot um die Ecke bog,“ verlor einmal einen diamantenen Manschettenknopf im großen blauen Meer, und zwanzig Jahre später aß er an genau dem gleichen Tag ,anscheinend einem Freitag , einen großen Fisch – aber es war kein Diamant darin. Das ist es, was mir so am Zufall gefällt.“
„Letztlich ist man nirgendwo bei sich, lässt Eigner Rolf Boddensiek sagen. ”Man ist auf der Flucht. Zeitlebens. Sogar, wenn man in alles hineinflüchtet und vor nichts und niemandem wegläuft.“ So fliehen die beiden Männer in die Vergangenheit, um der Vergangenheit zu entfliehen. Eigner liebt diese, scheinbar sich widersprechenden Aussagen.Sie durchziehen immerfort seine Lebensgeschichten. Irgendwie bleibt an allem ein Zweifel: „Ich habe auch Schwierigkeiten, die Frauen anzusehen. Die kucken ja zurück.“ Manchmal ,nur manchmal, sogar mit italienischer Begeisterung.
Foto,© Renate von Mangoldt
Für den AllesBremer: Gerd-Peter Eigner hat ein paar Jahre in Bremen gewohnt und an der Fachschule für Nautik seinen Abschluss gemacht. Schiffsführungspatent „Kapitän auf Kleiner Fahrt“. Später kam ebenda noch der „Kapitän auf Mittlerer Fahrt“ hinzu. Kommentar Aischa: „Ich will keinen Seemann“.
Holger Mertins
Gerd-Peter Eigner liest aus seinem Roman!
24. September 2009, 19.00 Uhr Buchhdlg. Leuwer, Bremen, Am Wall 171
25. September 2009, 20.00 Altes Kurhaus, Dangast, An der Rennweide.
Gerd-Peter Eigner, in Wilhelmshaven aufgewachsen, liest aus seinem jüngsten Roman „Die italienische Begeisterung“ (Kiepenheuer & Witsch, Köln), der von Literaturkritikern sehr gelobt wird. Der Roman spielt streckenweise auch in der Stadt am Jadebusen. Stationen seines Lebens sind Paris, Bremen, Berlin und Olevano. Der Autor erhielt diverse Preise und Auszeichnungen (u.a. das „Villa Massimo Stipendium“ in seiner Bremer Zeit). Nach der Lesung in Dangast reist Gerd-Peter Eigner nach Wangen. Dort wird ihm für sein Gesamtwerk, das durch „Sprachgewalt und Sprachkunst“ besticht, am Sonntag, 26.09.09 der renommierte „Eichendorff- Literaturpreis“ überreicht.