Jörg Hannemann
Die Wärme des Körpers der Frau Pietsch
Roman
252 Seiten, gebunden

Kunst ist schlimmer als Heimweh

So heisst eine Kapitelüberschrift in dem Buch „Danach war schon“ Gottesbeweise IX, darin allerlei komische Geschichten aus der Berliner Kunst-Szene, von banalen Kneipengesprächen bis zu existzentiellen Wahrheiten.

„Stimmt das ? „
„Nichts stimmt mehr ! „
„Stimmt „
Dialog im „Affen“

Im Buch von Hannemann finden wir auch so Szenen
„ Auf das Schmalz „ sagte ich.
„Ja, auf das Schmalz, sagte Frau Pietsch.

Leider wirkt so was im Zusammenhang mit gestelzten, mit umständlicher Präzision
entwickelten endlosen Sätzen auf 250 Seiten irgendwann nicht mehr komisch, sondern langweilig.
Fast alles in Berichtform, in indirekter Rede mit viel „haben“, „hätte“ und „sei“.
Das geht dann so: Ich sagte leise zu dem Landvermessungsbeamten, er könne seine Feststellungen getrost laut aussprechen, außer dem Wirt sei niemand zugegen, und der Wirt sei aus Westfalen hergezogen, dort habe er einen langwierigen Erbschaftsprozeß hinter sich gebracht, der ihn ruiniert hätte.
Das ganze spielt überwiegend in der nebligen norddeutschen Ebene in Pensionen, Gaststätten und Ausflugslokalen. Der Protagonist Glöde, von Beruf Maler-Anstreicher, sucht an den Wochenden in Bremen nach einem anderen Sinn des Lebens. Er müht sich mit Kafka, Proust, Joyce und Arno Schmidt, treibt sich in der Künstlerszene des Ostertors umzu.
Zwischendurch Arbeit bei der Freifrau von Starrenberg im vornehmen Schwachhausen, großes Haus mit Garten, das Fräulein Tochter in der mittleren Etage, der Psychoanalytiker Meierschwanz (Vorsicht Namenswitz) in der oberen. Irgendwann heißt die Freifrau dann von Staffenberg . Vielleicht ein Druckfehler.Bei absurden Handlungen ist das auch egal. Ohne Sinn, ohne Sinn geht das Buch dahin.
Auffällig ist die Auseinandersetzung mit der Künstlerszene, es gibt deutliche Wertungen. Künstler sind hier sehr begrenzt in ihrem Können, überempfindliche Wesen mit Selbstdarstellungszwängen und Hochmut, mit universeller Menschenverachtung, die ihre Abende und Nächte in Kneipen schwadronierend verbringen. Böse wird Hannemann, wenn er reale Menschen wie Heinz Wendel oder Axel Knopp benennt, diese werden regelrecht denunziert. So wird Wendel ein Tod durch Krebs angedichtet, der angeblich an Krebs als Form der Selbstaufgabe starb. Der seinem Klavierspiel mit dicken Fingern unglücklich hinterher sah. Dies ist schäbig, Wendel starb an einem Herzinfarkt, über sein Wirken in der Jazzszene können viele Menschen in Bremen befragt werden. Axel Knopp hat sich nie Knoop genannt, eine Kleinigkeit, was soll so etwas ? Er hat auch mehr als einen frühen Preis gewonnen und dann angeblich nichts mehr Gescheites zustande gebracht, wie der Text nahe legt. Hier will jemand, der in Bremen als Mitläufer und Mann ohne Eigenschaften dabei war, noch kleine Gemeinheiten loswerden. Nebenbei hat die Heimatzeitung diese Beschreibung der Künstlerszene freudig wieder gegeben. Man kann ja durchaus Lebensleid und folgende Schwermut in Komik und Groteske darstellen, Stilmittel wie den verschrobenen Satzbau anwenden, dies haben viele Schriftsteller getan, in jüngster Zeit z.B. Rocko Schamoni mit „Tag der geschlossenen Tür „. Hannemann hat ja nicht umsonst den großen Arno Schmidt ins Buch gebracht, nur hatte dieser in seiner guten Zeit Humor und hat feine Beobachtungen in Sprache umgewandelt. Das Leben des Menschen ist kurz; wer sich betrinken will hat keine Zeit zu verlieren! Und die Abende in Ziebig´s Gasthaus waren ja gar nicht unlebhaft.

(aus Kühe in Halbtrauer ) ,-, –, --- , !!
Geht doch, selbst im neblig schwermütigen Norden !!!!!

Wilfried Grünhagen, Januar 2013

Jörg Hannemann
Die Wärme des Körpers der Frau Pietsch
Roman
252 Seiten, gebunden
€19,90 (D), € 20,50 (A)
ISBN 978-3-86280-023-0