Zum dritten Roman von Gerdts-Schiffler "Ehrenhüter"


Monat für Monat werden 100 neue Titel in Deutschland auf den Markt geworfen, natürlich meist den Moden und Zuschreibungen unterworfen,
Frauen- Öko-Regional-Cop-Terrorismus-Serialmörder-Thriller.Hier nach dem Text des Verlages Kommissar Steenhoffs 3. Fall oder ein Bremen-Krimi.

Auf dem Einband sehen wir schwarz-weiss den Bunker Valentin aus dem 2.Weltkrieg, 2 mal einen Ohrring lila unterlegt, diese Farbe auch für den Einband innen und das Lesezeichen.
Die Leiche einer jungen türkischen Frau, Nilgün, wird in der Nähe des Bunkers draussen in Bremen-Nord gefunden, einem deutschen Monument des Krieges,
bei dem Bau sterben tausende sogenannte Fremdarbeiter.
Es gibt auch einen realen Doppelmord aus den letzten Jahren, ein "Ehrenmord", der ein kurdisches Paar das Leben nahm. Dieser Mord erregte in der Öffentlichkeit starkes Aufsehen, hier schwingen die Ängste und Sorgen vor einer anderen Lebenswelt und deren Werte mit,
alles mitten in Bremen.
Es gibt ohnehin das Wort von der Parallelgesellschaft, von Kopftuch, Zwangsheirat und Fundamentalismus, von dem es nur noch ein Schritt zum Terrorismus ist, der unsere freiheitlichen Werte bekämpft, wie soll man wiederum diesen bekämpfen?

Der Verdacht fällt schnell auf die (männliche) Familie der Toten.Geübte Leser wissen natürlich, so direkt löst sich der Fall nicht auf.
Wir haben, wie schon in den vorigen Fällen, einen guten Einblick in die Arbeit des Polizeiapparates, die Ermittler Petersen (Weiblich, stammt aus Persien,Viertelbewohnerin,
bis dato mit einer Frau liiert) und Steenhoff (Familie, wohnt im Grünen, Rolle des einfühlsamen Cops) stoßen auf unterschiedliche Milieus und Lebensweisen privat und dienstlich, so geraten auch die deutschen Mitschüler der Ermordeten in den Blick.
Die notorische Krimifrage "wer war es" wird nach einem showdown, die jüngere Schwester Nolgüns ist bedroht, mit der Entdeckung des 2.Ohrrings beantwortet.

Für mich ist hier neben der Frage nach Inhalt und Zutaten eines Krimis,Spannung usw. oder dem Tatort Bremen noch eine Überlegung interessant.
Wir können fragen , wie geht Realität in Literatur ein, was kann besonders Kriminalliteratur über den Zustand einer Gesellschaft sagen. Mehr als der Fall ist.

Es gibt mittlerweile häufig Parallelisierungen der Verbrecher- und der guten Seite, beide Seiten brechen Regeln, überschreiten Gesetze, sind isoliert und frustriert.
Kriminelles Handeln im kleinen ( 9000 Fahrraddiebstähle in Bremen pro Jahr sind Normalität) und das große organisierte Verbrechen mitsamt korrupter Politik lassen sich nicht mehr sinnvoll unterscheiden, wir wünschen natürlich immer noch den Sieg der Guten.

Da unsere Ermittler mit einem Ich-Bewusstsein ausgestattet werden, nebenbei insgesamt deutlicher die Frauen im Roman, werden auch deren Unsicherheiten und Wünsche deutlich, vom Alltag angefangen, witzige Beobachtungen aus dem Viertel, z.B. Szene am Käsestand auf dem Ökomarkt kennt man! In der unsympathische Ökös ohne Rücksicht auf Folgende ihren Einkauf zelebrieren - bis hin zu einer generellen Unsicherheit bei Frauen und Männern, wer gilt als was.

So gesehen möchte ich diesen Roman einen "who is who-Krimi" nennen oder einen Einblick in die Unsicherheiten der bürgerlichen Klasse.

Wilfried Grünhagen

Ehrenhüter
Rose Gerdts-Schiffler
332 Seiten, Hardcover
EUR 14,90
ISBN 978-3-7961-1927-9